Dr. Matthias Stiehler

Reformationsjubiläum: Wie Luther gegen Luther benutzt wird

Im Deut­schen Hygie­ne-Muse­um Dres­den wird der­zeit (vom 11. März bis 5. Juni 2017) eine Foto­aus­stel­lung von Jörg Gläscher gezeigt. Sie trägt den Titel “Luther­land. Foto­gra­fien aus der Welt des Glaubens”.

Bei der Eröff­nung der Aus­stel­lung stell­ten die Red­ner (u.a. die Säch­si­sche Staats­mi­nis­te­rin für Wis­sen­schaft und Kunst, Frau Dr. Stan­ge) vor allem Bezü­ge zum Wir­ken Luthers bis in unse­re Gegen­wart her. Dies wur­de vor allem für Kul­tur und Poli­tik fest­ge­stellt, an der einen oder ande­ren Stel­le aber auch für den Glau­ben von Chris­ten heu­te. Im Anschluss bestand — wie zu sol­chen Gele­gen­hei­ten üblich — die Mög­lich­keit, die Aus­stel­lung selbst zu betrach­ten und sich ein eige­nes Urteil zu bilden.

Was ich ent­deck­te, war eine Aus­stel­lung, die — wenn auch eher unbe­ab­sich­tigt — wirk­lich Rele­vanz besaß und eine tie­fe Aus­sa­ge traf. Denn was an Foto­gra­fien zu sehen war, waren künst­le­risch gute Auf­nah­men, die vor allem eines zeig­ten: Belang­lo­sig­keit. Inhalt­lich ohne erkenn­ba­ren roten Faden offen­bar­te sich eine Belie­big­keit, die nach mei­ner Ein­schät­zung die Situa­ti­on des christ­li­chen Glau­bens im “Luther­land” sehr gut wider­spie­gelt. Wenn es kei­ne Bild­un­ter­schrif­ten gege­ben hät­te, wäre bei zahl­rei­chen Bil­dern nicht klar, wor­um es eigent­lich ging. Und dort, wo gläu­bi­ge Hand­lun­gen und kirch­li­che Situa­tio­nen erkenn­bar waren, lie­ßen sich ver­gleich­ba­re Situa­tio­nen in völ­lig ande­ren Bezü­gen sehr ein­fach herstellen.

Unge­wollt — so scheint mir zumin­dest — hat der Künst­ler vor allem eines deut­lich gemacht: Der christ­li­che Glau­ben ist, viel­leicht nicht für jeden Ein­zel­nen, aber doch für unse­re Gesell­schaft als Gan­zer bedeu­tungs­los gewor­den. Und mit die­ser Aus­sa­ge ist auch zu ver­ste­hen, war­um die Red­ner vor allem den geschicht­li­chen Bezug zu Luther her­stel­len. Sei­ne Bedeu­tung für unse­re gegen­wär­ti­ge Kul­tur ist ja auch kaum zu über­schät­zen. Was aber kaum eine Rol­le spielt, ist das Zen­trum des luthe­ri­schen Den­kens und Han­delns: die Refor­ma­ti­on des christ­li­chen Glaubens.

Und so ste­hen wir — gera­de indem wir Luther kon­ser­vie­ren — genau­so da, wie die Kir­che vor 500 Jah­ren: So ihrer selbst ver­un­si­chert, dass ver­zwei­felt an den über­kom­me­nen Leh­ren fest­ge­hal­ten wird, ohne sich immer wie­der neu den exis­ten­zi­el­len Fra­gen des Glau­bens zu stel­len. Und so zeigt die­se Aus­stel­lung vor allem eines: Bei die­sem Refor­ma­ti­ons­ju­bi­lä­um wird Luther gegen Luther benutzt.

Mat­thi­as Stieh­ler
Ist Gott noch zu ret­ten?
Wor­an wir glau­ben können

Ver­lag tre­di­ti­on Ham­burg 2016

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